Nebenan ist ein chaotisches Drehpendel (auch Pohlsches Rad genannt) dargestellt. Der kupferfarbige Ring ist drehbar gelagert und mit der Spiralfeder verbunden. Ohne Reibung würde der Ring eine Drehschwingung ausführen (also wie ein Federpendel harmonisch schwingen). Um die Reibung zu kompensieren wird der Ring periodisch angeregt. Eine Wirbelstrombremse bremst die Schwingung und verhindert so die Resonanzkatastrophe. Die Wirkung der Wirbelstrombremse wird kontrolliert und heisst Dämpfung. Bei grosser Dämpfung wird die Bewegung des Rings stark eingeschränkt. Bei kleiner Dämpfung kann er sich stärker bewegen.
Zusätzlich wird eine kleine Masse am Ring angebracht (Unwucht). Diese Masse erzeugt eine nichtlineare Komponente und führt zu chaotischem Verhalten.
Im folgenden Video sehen Sie, wie sich das Drehpendel unter verschiedenen Bedingungen verhält. Uns interessiert der 2. Teil des Films, wo die Dämpfung verkleinert wird. Bei grosser Dämpfung ungefähr in der Mitte des Videos, führt das Drehpendel eine voraussagbare Bewegung aus. Je kleiner die Dämpfung wird, desto chaotischer verhält sich die Bewegung. Im Diagramm nebenan wird teilweise die Winkelgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Position des Pendels (Winkel) dargestellt. Man nennt diese Darstellung den Phasenraum. Je regelmässiger die Bewegung, desto geordneter sieht der Phasenraum aus. Ist die Kurve in sich geschlossen, wiederholt sich die Bewegung periodisch und ist in einem gewissen Sinne voraussagbar. Ist die Kurve offen, deutet dies auf ein chaotisches Verhalten hin. Im Übrigen wird die dargestellte Kurve im Phasenraum Trajektorie genannt. Manchmal weist das Diagramm nebenan die Position / den Winkel gegenüber der Zeit auf. Das ist ein Elongation-Zeit-Diagramm, das wir von der Schwingung her bereits kennen.
Die Bewegung des Drehpendels folgt einfachen, physikalischen Gesetzen. Sie wissen bereits von der Rotation her, dass für ein Drehpendel mit dem Trägheitsmoment $J$ gilt:
$$M_{\text{res}}=J\alpha$$
Das resultierende Drehmoment setzt sich aus folgenden Anteilen zusammen:
Für das resultierende Drehmoment findet man folgenden Ausdruck (Sie brauchen ihn sich nicht zu merken!):
$$M_{\text{res}}=-D\varphi-\delta\omega+M_0\sin(2\pi ft)%2bmgl\sin\varphi$$
Sind am Anfang die Startbedingungen bekannt (Startwinkel $\varphi$ und Startgeschwindigkeit $\omega$), lässt sich damit die Winkelbeschleunigung $\alpha$ berechnen. Dann findet man für die neue Winkelgeschwindigkeit:
$$\omega_{\text{neu}}=\omega+\alpha\Delta t$$
Und für den neuen Winkel:
$$\varphi_{\text{neu}}=\varphi+\omega_{\text{neu}}\Delta t$$
Und das ganze Spiel beginnt mit dem neuen Winkel und der neuen Winkelgeschwindigkeit von vorne, indem man die neue Winkelbeschleunigung mit der langen Formel berechnet, etc.
Für die Zeitspannen $\Delta t$ werden sehr kurze Zeitabschnitte gewählt. So lässt sich die Entwicklung des Drehpendels mit der Zeit simulieren.
Ich habe für Sie eine Tabellenkalkulation (Google Tabelle) vorbereitet. Sie können diese kopieren und anschliessend damit arbeiten. Sie können sie auch im Excelformat herunter laden und mit Ihrer Desktop-App arbeiten.
Hier eine Vorschau, die sich nicht bearbeiten lässt:
Das Drehpendel ist ein Beispiel, das deutlich macht, dass chaotische Systeme sich nicht immer chaotisch verhalten müssen. Sie können sehr wohl in einem gewissen Bereich ein vorhersehbares Verhalten aufweisen. Auch scheint der «Weg» zum Chaos von sogenannten Phasenverdopplungen begleitet zu sein. Und selbst im chaotischen Bereich gibt es wieder schöne Muster (siehe meine Abbildung oben).
Der Phasenraum ist eine einfache Darstellung, um chaotische Systeme zu untersuchen. Bildet die Trajektorie im Phasenraum eine geschlossene Kurve, verhält sich das System nicht chaotisch und erlaubt eine Vorhersage. Umgekehrt ist eine offene Trajektorie ein starker Hinweis auf ein chaotisches Verhalten.